Die Halbinsel Akrotiri bildet den südlichsten Zipfel der zyprischen Insel. Ein großflächiger Salzsee bedeckt weite Teile der Halbinsel. Er bietet Zugvögeln, vor allem Flamingos, einen wichtigen Lebensraum. Eine weitere Besonderheit von Akrotiri bildet das britische Überseegebiet Akrotiri und Dekelia. In dem Gebiet wohnen geschätzt 1.300 Militärs. Hinzu kommen circa 5.000 britische Staatsbürger als Angehörige der Militärs oder zivile Angestellte. Mitgebracht haben sie einiges an ihren Traditionen. So wirken die Dörfer auf der Halbinsel Akrotiri mit der Architektur und den Pubs »Very British«.
Es wirkt schon seltsam: Zu unserer Rechten steht der Klotz einer mittelalterlichen Burg. Sie zählt zu den Sehenswürdigkeiten der Republik Zypern. Direkt daneben überqueren wir die Landesgrenze. Plötzlich fahren wir auf britischen Straßen. Linksverkehr herrscht zum Glück auf der gesamten Insel, sodass es kein Kuddelmuddel gibt. Doch auch die Landschaft wirkt auf dem britischen Hoheitsgebiet um einiges grüner. Es wird offensichtlich deutlich mehr bewässert als in den zyprischen Tieflagen. An der Durchfahrt im Ort Akrotiri werben Pubs und Grillrestaurants mit Fish & Chips. Der Euro erinnert uns daran, dass wir uns noch immer auf der Insel Zypern befinden. Das britische Pfund hat sich nicht durchgesetzt. Gleiches gilt für die Geschwindigkeitsbegrenzung, die auch hier in km/h angegeben wird.
Für den Austausch mit Briten haben wir im Hotel reichlich Gelegenheit. Hier gilt unser Interesse zunächst den Flamingos auf dem Salzsee. Einen guten Blick auf die rosa Vogelschar bietet das Akrotiri Environmental Education Center. Vorausgesetzt natürlich, es ist geöffnet. Wir treffen auf verschlossene Türen und müssen uns anderweitig behelfen. Entlang der Straße zum Katzenkloster gibt es mehrere Aussichtsmöglichkeiten, wenn auch nur auf Uferhöhe. Über das Schilf hinweg sehen wir die rosa Kugeln in der Ferne im Wasser stehen. Allesamt haben sie ihre Köpfe im Gefieder und schlafen. Das dumpfe Brummen im Hintergrund scheint die Vögel in ihrem Schlaf nicht zu stören. Es ist eine Militärmaschine, die gerade auf der Royal Air Force Station Akrotiri landet.
Lars' Begeisterung für die Vögel hält sich in Grenzen: »Langweilig!« Stimmt schon ein wenig. Die Flamingos bei Ciénaga de Zapata auf Kuba waren spannender und vor allem näher. Aber macht ja nichts. Nur zweieinhalb Kilometer weiter befindet sich das Katzenkloster Agio Nikolaos. In dem Kloster des Heiligen Nikolaus sollen exakt 100 Katzen leben. Es ist das älteste Kloster der Insel und hat eine besondere Geschichte. Das Kloster soll im 4. Jahrhundert von der Heiligen Helena, Mutter Konstantins des Großen, gegründet worden sein. Damals herrschte in Zypern eine schwere Dürre. Viele Menschen waren gezwungen, die Gegend Akrotiris zu verlassen. Ab da an wimmelte es dort nur so von Giftschlangen. Die heilige Helena ließ einen Splitter des Heiligen Kreuzes dort zurück und schickte 100 Katzen zur Abhilfe gegen die Schlangenplage.
Einer Legende nach soll der Gouverneur Kalokeros von Konstantin dem Großen entsandt worden sein, um dort tausende Katzen auszusetzen. Genaueres weiß man leider nicht. Doch heute treffen wir hier auf jede Menge Katzen. Schlangen hingegen sehen wir keine. Bereits beim Parkplatz werden wir von den flauschigen Tierchen schier überrannt. Seit 1983 ist das Kloster wieder von Nonnen bewohnt. Auch sie halten sich im Verborgenen. Es finden gerade einige Umbauarbeiten statt. Von den Arbeitern stört sich keiner an uns. So spazieren wir neugierig über das Gelände und besichtigen die Gebäude. Immer eine Schar an Katzen im Gefolge. Die Miezen sind äußerst zutraulich und die meisten von ihnen außerdem sehr gepflegt.
Zypern ist seit jeher ein Land der Katzenliebhaber. Auf der Insel wurden in einem 9500 Jahre alten steinzeitlichen Grab die Knochen einer semi-domestizierten oder gar domestizierten Katze entdeckt. In keinem anderen Land gibt es im Verhältnis zur Bevölkerung so viele Katzen wie auf Zypern. Mit geschätzten 1,6 Millionen Tieren herrscht hier die höchste Katzendichte. Das ist uns schon am ersten Tag aufgefallen, als wir zum Hafen von Paphos spaziert sind. Überall schleichen bettelnde Katzen entlang der Promenade und durch die Hotelanlagen. Den Schlangen haben sie einst den Garaus gemacht. Inzwischen sind die maunzigen Tiere mancherorts eine Plage.
Bei den meisten Katzen fällt ein Dreieck am Ohr auf. Es ist die Markierung einer Kastration. Nur so scheint es möglich, die gewaltige Population im Griff zu halten. Es schützt manch ein Tier vor Unter- und Mangelernährung sowie vor Krankheiten. Natürlich gibt es auf Zypern auch etliche Katzenschützer aus verschiedenen Ländern. Sie vermitteln die Nachfahren der heldenhaften Schlangentöter in die ganze Welt. Viele der zyprischen Katzen sind durch ihr längeres Haar ziemlich hübsch. Auf der einen Seite ist solch ein Engagement löblich. Andererseits sind die Tierheime in anderen Ländern ebenfalls schon voll – insofern es dort überhaupt welche gibt.
Ich kann stundenlang mit Katzen kuscheln, sie auf meinem Schoß halten und kraulen. Doch Lars will weiter. Somit verabschieden wir uns von den kleinen Schnurrknäuel und fahren zurück in die Republik Zypern. Wir lieben die irischen Burgen aus dem Mittelalter. Wie könnten wir da Kolossi links liegen lassen? Die Burg war ab dem Hochmittelalter bis in die Türkenzeit das Herz einer florierenden »Agrarfabrik«. Diese belieferte Europa mit Zucker und dem schweren Dessertwein Commandaria.
Bereits 1210 bekam der Johanniter-Orden Kolossi und das umliegende Land vom König als Geschenk. Nach ihrer Vertreibung aus Palästina verlegten die Johanniter ihr Hauptquartier nach Limassol. Der Orden zog später nach Rhodos um. Doch Kolossi blieb weiterhin als Commandaria die wichtigste Niederlassung auf Zypern. Der hier produzierte Wein ist danach benannt. Im 15. Jahrhundert erhielt die Burg ihre wehrhafte Gestalt. Innerzyprische Thronstreitigkeiten zwangen den Johanniter-Orden zum Umbau der Festung. Gleichzeitig rüstete man sich gegen bereits damals erwartete Angriffe der Türken.
Wichtigstes Produkt der Commandaria war allerdings nicht der Dessertwein, sondern Zucker. Gleich neben der Burg stehen die Reste der einst wassergetriebenen Mühle. Hier wurde das Zuckerrohr gepresst. Im Gebäude daneben hat man den Zuckersaft gekocht und schließlich in konisch zulaufende Tongefäße gegossen. Als Ergebnis erhielt man die typischen Zuckerhüte. Doch mit der Isolation Zyperns vom Europäischen Markt ging das Geschäft zurück. Zudem erschwerten Billigimporte aus der Neuen Welt den Absatz. Ab dem 17. Jahrhundert bauten die Osmanen daher vermehrt Baumwolle statt Zuckerrohr an.
Die Burg Kolossi ist gut erhalten. Die Wohnräume sind richtig schön und waren mit einem offenen Kamin beheizbar. Das ist bis dato ein auf Zypern nicht selbstverständlicher Luxus. Die Dachterrasse bietet zwischen den Zinnen eine reizvolle Aussicht über den Ort Kolossi. Von der Südseite aus blickt man über die grünen Agrarfelder des britischen Teils der Halbinsel bis zum Mittelmeer. Bei dem äußerst günstigen Eintrittsgeld zur Burg ist diese somit sicherlich eine Besichtigung wert.