Ein Mythos nennt Kinyras, Vater des Adonis, als den legendären Gründer von Amathous. Er soll die Stadt nach seiner Mutter benannt haben. Theseus, ein Held der griechischen Mythologie, ließ hier seine schwangere Ariadne in der Obhut der einheimischen Frauen zurück. Sie verstarb jedoch bei der Geburt. Ariadne wurde daraufhin als zypriotische Göttin verehrt. Ihr Grab reifte zur Kultstätte und Heiligtum der Aphrodite Ariadne. Alles etwas wirr? Gewiss sind die ältesten Spuren, die in die früheste Eisenzeit um 1100 vor Christus reichen. Den Rest der Geschichte wissen die Götter.
Irgendwie werden wir mit der Stadt Limassol nicht so richtig warm. Entlang der Küstenstraße wachsen riesige Wohn- und Bürogebäude in auffälliger Architektur in den Himmel. Soll hier ein kleines Dubai entstehen? Sicherlich lässt es sich in Limassol günstiger leben als in der Hauptstadt des kleinen Emirats. Wir indes sind froh, den Verkehrsstau in der Hafenstadt bald hinter uns zu lassen. Vorbei an einigen Strandhotels erreichen wir östlich der Stadt die archäologische Stätte. Hier befinden sich die Ruinen von Amathous, einem antiken Stadtkönigreich auf Zypern.
Eingeklemmt zwischen Autobahn, Küstenstraße und zweier Stadtteile von Limassol ist ein kleines Stück Landschaft mit der Ausgrabungsstätte von Amathous übriggeblieben. Bis ins 19. Jahrhundert hinein soll sich hier ein eindrucksvolles Ruinenfeld erstreckt haben. Leider erwiesen sich die Steine als nützlich beim Bau der Hafenbefestigung von Port Said und Alexandria in Ägypten. Wir starten unsere Besichtigungstour in der Agora, im unteren Teil der Stadt. In der Antike war die Agora traditionell der zentrale Fest-, Versammlungs- und Marktplatz. Wie damals wird auch heute hier das Geld verdient. Es ist nämlich der Teil der Ausgrabungsstätte, bei dem Eintrittgeld verlangt wird. Der Betrag hält sich jedoch in Grenzen.
Es braucht schon einen Hauch von Fantasie, will man sich ein Bild vom früheren Leben in der Agora machen. Es sind recht viele Fundamente und Mauern von Häusern freigelegt. Im hinteren Teil der Agora finden wir wieder aufgerichtete, dorische Säulen des ehemaligen Portikus. Dieser Säulengang endete an einem Brunnen, dem sogenannten Nymphäum. Hier sind zumindest die Wasserbecken und -leitungen recht gut erhalten. Auf der Meeresseite des Portikus erkennt man das Halbrund einer ehemaligen Latrine. Archäologen können dem Gelände sicherlich mehr abgewinnen als wir. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen für eine Pause, bevor wir außerhalb der Ausgrabungsstätte zur Akropolis hinaufsteigen.
Links neben dem Eingang zur Ausgrabungsstätte führt ein Wanderweg hinauf auf die Akropolis. Bald schon verzweigt sich dieser in ein wirres Durcheinander an Pfaden. Da das Ausgrabungsgebiet im oberen Teil von der Autobahn eingegrenzt ist, kann man sich nur schwer verlaufen. Bald schon stehen wir vor den ersten Resten der alten Stadtmauer. Am Berghang sind einige Gebäudereste übriggeblieben. Doch der Aufstieg zum oberen Ende lohnt sich. Richtig schön ist nämlich der Gipfelbereich der Akropolis. Hier befand sich einst der Aphrodite-Tempel.
Weihgaben aus der Mitte des 8. Jahrhunderts vor Christus belegen das Heiligtum auf dem Berg von Amathous. Viele Jahre lang war der Aphrodite-Tempel ein geschlossener heiliger Ort für Zeremonien und Weihgaben rund um einen Altar. Die heutigen Überreste, die wir bei Amathous besichtigen können, stammen von einem Tempel aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Er wurde an der Stelle früherer Tempel aus der hellenistischen Zeit erbaut. Auffallend auf der Akropolis ist das Replik eines gewaltigen Steinkrugs. Auf dem Areal standen einst zwei dieser monolithischen Gefäße. Einer der Krüge wurde im 19. Jahrhundert nach Paris gebracht. Heute ist dieser im Museum des Louvre ausgestellt und somit geschützt vor Witterungsverhältnissen. Zur Veranschaulichung hat man ihn durch dieses Replik ersetzt. Ein reich verzierter Sarkophag befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York.
Die längste Zeit während unseres Ausflugs nach Amathous ist der Himmel mit Wolken bedeckt. Erst gegen Abend kommt die Sonne heraus. So bietet uns die Akropolis eine wunderschöne Sicht auf die Hochhäuser mit ihren vielen Baukränen von Limassol. Unter uns liegt das Ruinenfeld der Agora. Wir aber blicken hinaus aufs Meer, wo gerade sechs Kreuzfahrtschiffe der P&O Cruises und anderer Reedereien in beklagenswertes Dasein fristen. Der modernste Kreuzfahrtterminal Zyperns liegt in Limassol. Doch die Kreuzfahrtbranche liegt gerade brach und wartet seit Wochen auf bessere Zeiten. Uns kann es gleich sein. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages bei einem weiteren Heiligtum des Aphrodite-Kults auf Zypern.