Nachdem der erste Vormittag in Äthiopien zur Erholung von der nächtlichen Anreise gedacht ist, starten wir am frühen Nachmittag zur Stadtrundfahrt durch die Hauptstadt Addis Abeba. Oder besser: aus Addis Abeba heraus. Denn das erste Ziel ist die Entoto Maryam Kirche, die Marienkathedrale oberhalb der Stadt.
Bereits auf der Fahrt bemerken wir, wie der Himmel über uns klarer wird. Oben, am Rand des Entoto Naturparks angekommen, blickt man dann auf eine graue Dunstglocke, die sich über den Talkessel der äthiopischen Hauptstadt erstreckt. Gut, dass wir uns ein Stück weit darüber befinden.
Auf dem Weg zur Marienkirche kommen wir durch zwei Tore. Eines steht für das Alte und eines für das Neue Testament. Welches Tor genau für welchen Teil der Bibel steht, ist nicht mehr bekannt. Vielleicht wurde es aber auch nie so genau festgelegt.
Dafür erfahren wir, dass die Jungfrau Maria schon sehr früh von den Christen in Äthiopien verehrt wurde. So soll die Marienkirche auf dem Entotoberg schon über 1000 Jahre alt sein. Zudem gibt es in keinem Land so viele Marienkirchen wie in Äthiopien.
Video vom Palast von Menelik II. in Addis Abeba. Aufnahmen der Marienkirche oberhalb der Hauptstadt von Äthiopien.
Gekrönt wird die Kirche von einem Rad mit sieben Spitzen. Diese stehen sowohl für die sieben heiligen Sakramente wie auch drei für Gott, Jesus und den Heiligen Geist sowie vier für die Himmelsrichtungen. Direkt darunter muss der Altar stehen, welcher stets nach Westen ausgerichtet ist. Früher wurde außerdem oft ein Straußenei auf die obere Spitze gesetzt, welches an Jesus 40-tägiges Fasten in der Wüste erinnert.
Neben der Symbolik weckt eine Frau unser Interesse, die wie von Sinnen betet. In gewisser Weise ist sie das auch. So glaubt man in Äthiopien daran, dass Menschen vom Teufel besessen sein können. Oft stecken Behinderungen oder andere, nervliche Krankheiten dahinter, die es bei uns zum Teil gar nicht mehr gibt. Um den Teufel wieder auszutreiben, werden die Betroffenen auf das Gelände einer Kirche gebracht, wo sie oft tagelang bleiben.
Von der Kirche sind es nur wenige Schritte bis zum Menelik-Palast, dem Kaiserpalast von Menilik II.. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Fläche, auf der roter Paprika für die Kirche zum Trocknen ausgelegt ist. Gleich dahinter befinden sich Gräberhäuser, in denen hinter einer Marmorplatte menschliche Gebeine ihre womöglich letzte Ruhestätte gefunden haben.
Der Menelik-Palast gleicht eher einem großen Wohnhaus. Der frühere Kaiser Menilik II. wird auch heute noch dafür verehrt, dass er er die äthiopischen Truppen 1896 in der Schlacht von Adua zum Sieg über die Italiener geführt hatte. Durch seinen Sieg blieb Äthiopien ein eigenständiges Land, während Italiens Kolonialgelüste in Ostafrika ein jähes Ende fanden.
Im Gebäude selbst ist es angenehm kühl. Grund hierfür ist eine spezielle Bauweise, die einer Überhitzung der Raumluft entgegenwirkt. Viel zu sehen gibt es in dem kaiserlichen Wohnhaus mit Bankettsaal allerdings nicht. Wohl aber fallen uns einige Hörner auf, die in einem Nebenraum an der Wand angebracht sind. Sie gehen auf den Brauch zurück, dass Gäste dem Kaiser Fleisch als Geschenk mitbringen mussten.
Allzu lange gab es den Brauch hier oben allerdings nicht. Denn nachdem die Bäume im Umfeld des 1878 erbauten Steinhauses verfeuert waren, wurde seiner Frau Taity Betul der Wohnsitz auf dem Hügel zu kalt. Als sich der Kaiser im November 1896 auf einem Feldzug gegen Harar befand, verlegte sie das Lager ins Tal zu den warmen Fel Weha Quellen, wo dann Addis Abeba, die »Neue Blume« entstand.