Im Stadtteil Addis Ketema befindet sich der Mercato. Der Name stammt noch aus der Besatzungszeit der Italiener (1936 – 1941) und ist etwas irritierend. Wir erwarten einen riesigen Markt mit vielen Verkaufsständen unter freiem Himmel. Immerhin handelt es sich um den größten »Freilichtmarkt« von Addis Abeba und auch von ganz Afrika. Solch einen Markt gab es mal in der Nähe der St.-Georgs-Kirche an der Stelle, wo sich heute das Rathaus befindet. Der damals offene Marktplatz endete jedoch mit der italienischen Besatzung. Der historische St. Geoges-Markt wurde umbenannt in Piazza und auf Europäer abgestimmt. Es entstanden Geschäfte im europäischen Stil.
Die Waren wurden in Schaufenster ausgestellt. Doch es mangelte an Platz und die ansässigen arabischen Händler zogen ein Stück weiter nach Westen. Im Laufe der Zeit haben lokale Ladenbesitzer die arabischen Kaufleute vertrieben. Seit den 1960er Jahren versprüht der Markato ein lokales Flair. Doch von Marktbudenidylle ist bei unserer Durchfahrt nur wenig zu finden. In Wirklichkeit bildet der Mercato heute ein riesiges Geschäftszentrum mit unzähligen kleinen Läden und Märkten, die sich in Gebäuden und Hallen befinden. Viele der Geschäfte sind zur Straße hin offen, sodass wir schon beim Vorbeifahren einen Blick auf die Waren erhaschen können.
Videos zur Äthiopien-Rundreise ab Addis Abeba.
Der Mercato erstreckt sich heute über mehrere Quadratkilometer. Schätzungsweise sind hier über 13.000 Menschen beschäftigt. Viele davon wohnen auch gleich an ihrem Arbeitsplatz. Die Hauptware, welche durch den Markt fließt, sind lokale landwirtschaftliche Produkte, vor allem Kaffee. Seit dem Jahr 2019 wird der Mercato in eine Art Logistikunternehmen und Online-Marktplatz umgestaltet. Er dient als Großmarkt und die verschiedenen Waren werden an die Kunden geliefert. Doch auch die Kleinunternehmen haben nach wir vor ihre Läden beim Mercato.
Deren Markt ist eingeteilt nach verschiedenen Produkttypen. Und davon gibt es etliche wie Textilien, Haushaltswaren, Elektrogeräte, Plastikwaren und Kanister oder auch riesige Metallschrotthalden. Auffallend sind sehr viele Juweliere. Zwischendrin beobachten wir aber auch die Märkte der Armen und der Bauern. Da wird Gemüse zwischen alten Autoreifen und Plastikstühlen direkt auf dem Boden angeboten. Wer sich kein Fahrzeug leisten kann, bringt die Ware mit dem Esel oder trägt sie selbst auf dem Rücken. Gesundheit ist hier Nebensache.
Ein weiterer Wirtschaftszweig ist der Taschendiebstahl, da der Mercato inzwischen ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen ist. So warnt uns Yitbarek, dass wir ja auf unser Hab und Gut achten sollen, bevor es Beine bekommt. Das gilt auch für geöffnete Scheiben im Bus.
Diese Warnung gibt er immer. Seinen Gästen ist auch nie etwas abhanden gekommen. Hätten diese auch lieber mal auf ihren Guide geachtet. Laut seinen Erzählungen war er der einzige, der beim letzten Besuch um seine Geldbörse erleichtert wurde.