Von Addis Abeba aus fahren wir durch die Region Amhara nach Bahir Dar am Tana-See. Die Amharen sind nach den Omoro das zweitgrößte Volk von Äthiopien. Amharisch ist jedoch die bedeutendste Verkehrssprache in dem Vielvölkerstaat und somit auch offizielle Amtssprache. Wir halten unterwegs in einem Dorf, bei einer Bauernfamilie. Da unser Guide, Yitbarek, die amharische Sprache beherrscht, geht er vor und fragt beim Familienoberhaupt, ob wir willkommen sind.
Das nutzen die Kinder, welche neugierig auf den Bus zustürmen. Mit Hilfe von unserem Busfahrer Sammy verteile ich einen Teil unserer mitgebrachten T-Shirts, was sofort ein leichtes Chaos auslöst. Aber Sammy hat alle im Griff und jedes Kind bekommt ein Shirt ab. Es ist recht kühl hier, die Kleidung ist ein sinnvolles Mitbringsel.
Über die vielen Kinder um diese Uhrzeit müssen wir uns nicht wundern. Es herrscht Schulpflicht in Äthiopien, auch bei den Amharen. Gleichzeitig müssen die Kinder bei der Landwirtschaft mit anpacken. Dafür gibt es extra zwei Schulzeiten. So können sich die Kinder für Bildung und Arbeit aufteilen.
Aufnahmen unseres Besuchs in einem kleinen Dorf in der Amhara-Region nördlich von Addis Abeba.
Während wir am Verteilen der Klamotten sind, besichtigt der Rest der Gruppe inzwischen den kleinen »Bauernhof« im Dorf, welcher von einem Steinwall umgeben ist. Wir kommen nach und beim Öffnen des Eingangsgatters rennt mir ein panischer Esel entgegen. Einen Augenblick später versteckt er sich hinter ein paar Kühen. Touristen ist er nicht gewohnt. Doch der Bauer lacht. Der Esel wird sich wieder beruhigen.
Wir dürfen uns in den kleinen Lehmhütten umschauen. Auch wenn alles sehr ärmlich wirkt, haben die Menschen Ordnung um ihre Häuser. Allerdings ist die Küche gewöhnungsbedürftig. Fließendes Wasser gibt es natürlich nicht. Mehrere Kanister für den Wassertransport liegen in der Küche.
Zudem ist sie auch gleich der Vorratsschrank. In einer Ecke sitzen gleich drei Ziegen und bestaunen uns neugierig. Aus einer benachbarten Hütte quillt derweil Rauch nach außen. Kamine oder wenigstens ein funktionierender Rauchabzug fehlt in den einfachen Hütten.
Landwirtschaft ist der wichtigste Zweig in dieser Region Amhara. Handwerksberufe wie Töpfer und Schmiede sind als minderwertig angesehen. Die Bauern haben kleine Ländereien, sodass sie ihre Familien ernähren können. Das Wenige, was sie als Überschuss erwirtschaften, verkaufen sie auf den umliegenden Märkten. Die Landwirtschaftsflächen werden später an die Söhne weitervererbt. Doch auch wenn Äthiopien ein wirklich großes Land ist, so sind die Parzellen der Bauern zu klein, gemessen an den vielen Söhnen, die alleine schon bei unserem Bauern herumrennen.
Und während die Jungs auf ihr Erbe warten, werden die Mädchen schon früh verheiratet. Sie erlangen die Heiratsfähigkeit mit der Geschlechtsreife. Spätestens aber mit 14 Jahren, wird durch die Verwandtschaft eine Ehe arrangiert. In der Regel gibt es eine kirchliche Hochzeit. Doch es genügt auch, wenn ein Priester die Ehe einfach nur absegnet. Die Mädchen, die hier auf dem Bauernhof herumrennen und sich wegen einer kleinen Seife von mir freuen, tun mir jetzt schon leid.