Das Kloster Debre Libanos ist dem Heiligen Abba Libanos geweiht, einem der neun Heiligen der äthiopischen Kirche. In der Amhara-Region ist es ein beliebter Stopp bei Rundreisen in den Norden des Landes.
Wegen einer altersschwachen Brücke kann unser Reisebus nicht direkt vors Tor vom Kloster Debre Libanos fahren. Der Besuch beginnt also mit einem kurzen Spaziergang. Dafür treffen wir auf dem Weg fröhliche Pilger mit demselben Ziel. Mit etwa 500 Mönchen besitzt Debre Libanos die größte Klostergemeinschaft in Äthiopien. Als Ursprung der Anlage gilt eine Höhle, in der sich der Heilige Tekle Haymanot, Sohn einer reichen Familie, nach der Begegnung mit dem Erzengel Gabriel zurückzog. Er verbrachte dort 40 Jahre, bis ihn Gabriel zurück in die Heimat schickte. In Anlehnung an den Heiligen Abba Libanos (Abt Libanos) benannte er den Ort Debre Libanos (Berg des Libanos).
Die Kirche wurde mehrmals zerstört oder von Ungläubigen eingenommen. Noch 1937 kam es zu zahlreichen toten Mönchen, als italienische Soldaten in dem Kloster Aufständische vermuteten. In den 1940er Jahren besuchte David Buxton das Kloster Debre Libanos. Was er fand war grausam. Unzählige Knochen und Schädel wurden deponiert in Säcken, Kisten oder auf wirren Haufen. Die Überreste der Opfer des Massakers warteten Jahre später noch auf ihre Beisetzung. Diese fanden sie daraufhin in einem kreuzförmigen Grab nahe dem Parkplatz.
Trotz dieser Verbrechen fand das Kloster zum christlichen Glauben zurück und überlebte. Doch die Architektur des Gotteshauses änderte sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder. Wegen Zerstörungen oder einfach, weil das Gebäude baufällig wurde. Zuletzt ließ Kaiser Haile Selassie I. die Kirche im Jahr 1961 durch den jetzigen modernen Neubau ersetzen. Die Kreuzkirche steht über dem Grab von Tekle Haymanot.
Neben der neuen Kirche befindet sich auf dem Klosterareal noch eine ältere Kreuzkirche und fünf religiöse Schulen. Die Höhle, in welcher der Heilige Tekle Haymanot lebte, befindet sich an einer Klippe in der nahe gelegenen Schlucht. In ihr soll eine Quelle sprudeln, welche heute als heilig gilt und immer wieder Ziel von Pilgerfahrten ist. Wir belassen es aber bei einem Besuch der Kreuzkirche.
Bevor wir die Kirche betreten, ziehen wir die Schuhe aus. Es wird eifrig geputzt, aber wir dürfen uns die farbenfrohen Kirchenbilder im Altarbereich anschauen. Zum Teil sind diese mit Vorhängen verdeckt, welche die Farben vor dem Ausbleichen durch Licht schützen sollen. Beeindruckend sind die wunderschönen Buntglasfenster mit verschiedensten Motiven. Finden wir in einem Fenster Szenen aus dem Alten Testament, so sind es im nächsten Abbildungen der zehn Apostel. Mein Lieblingsmotiv ist ein Löwe, der vor Adam und Eva im Paradies sitzt.