Bei der Weiterfahrt ins Simien-Gebirge legen wir kurz nach Gondar einen ersten Halt ein. Wir befinden uns im Falascha-Dorf Wolleka, ein jüdisches Dorf in Äthiopien. Falasha bedeutet »Wanderer« und bezeichnet dunkelhäutige Juden, die der Überlieferung nach vor 3000 Jahren einer Affäre der Königin von Saba mit König Salomon aus Israel entstammen.
Dies könnte durchaus zutreffen. Denn selbst Historiker gehen davon aus, dass die als »Beta Israel« bekannte Gemeinschaft bereits ab 600 vor Christus keinen Kontakt mehr zu den Juden in Palästina hatte. Für diese Theorie spricht, dass den Falashas weder später entstandene Bräuche, noch wichtige jüdische Feiertage bekannt sind.
Videos zur Äthiopien-Rundreise ab Addis Abeba.
Vor Ort treffen wir allerdings keine Juden. Dafür sind wir zu spät dran. So berichtet Yitbarek, dass die Jewish Agency die letzten 450 jüdischen Äthiopier im August 2013 nach Israel übergesiedelt hat. Damit hat Israel insgesamt rund 90.000 Juden aus Äthiopien in teils Aufsehen erregenden, militärischen Operationen »heimgeholt«. Begonnen hatte die Umsiedlung im November 1984. Bereits im ersten Monat war es gelungen, 10.000 äthiopische Juden über eine Luftbrücke nach Israel zu holen.
Möglich war dies, weil zuvor die Regierung in Addis Abeba ihre Einverständnis gegeben hatte - freilich, ohne dies groß an die Glocke zu hängen. 1985 lobte der israelische Ministerpräsident Schimon Peres die »Operation Moses« noch als vollen Erfolg. Dies auch, weil sie dazu den Flughafen von Karthum im Sudan nutzen konnten, was angesichts der Empörung der arabischen Liga keineswegs selbstverständlich war. Im Mai 1991 wurden die nächsten 14.400 jüdischen Bürger Äthiopiens ausgeflogen.
Auf der einen Seite war dies sicher richtig, da die Falasha am Rande der Gesellschaft lebten. Nachdem sich das Christentum im 4. Jahrhundert als Staatsreligion etabliert hatte, wurden viele gezwungen, den Glauben zu wechseln. Auch bis in die Neuzeit litten viele Falasha unter Verfolgung und Beschimpfungen durch die orthodoxe Mehrheit.
Andererseits erwartete sie in Israel alles andere als das versprochene Gelobte Land. So leiden viele Falasha auch heute unter Armut, Diskriminierung und Rassismus. Die Vorwürfe gehen so weit, dass Israel versucht habe, die Geburtenrate dunkelhäutiger Juden zu senken. Dazu soll den Frauen unter dem Vorwand notwendiger Gesundheitsvorsorge ein Langzeitverhütungsmittel gespritzt worden sein.
Vielleicht sind die Berichte und Gerüchte aus Israel mit dafür verantwortlich, dass die Heimhol-Aktion tatsächlich nicht vollständig beendet werden konnte. So hören wir von einer Falasha, die sich der Umsiedlung widersetzt haben und als letzte Jüdin in Äthiopien geblieben sein soll. Ob es stimmt oder nur ein weiteres Gerücht ist? Wer mag das bei einem nur kurzen Aufenthalt prüfen?
Sicher jedoch ist, dass die Umsiedlung der Falasha für die Menschen in der Umgebung ein Segen war. Ohne groß etwas dafür tun zu müssen, fiel ihnen mit dem Dorf Wolleka ein touristisches Ziel in den Schoß.
So sehen wir bei unserem Besuch neben dem auch für äthiopische Juden kennzeichnenden Davidsstern einige Stände, an denen Korb- und Tonwaren sowie einige andere, meist kleine Souvenirs angeboten werden.