In der Nacht setzt am Batang Lemanak der Monsunregen wieder ein. Damit ist gesichert, dass wir auf jeden Fall genug Wasser zum Duschen haben. Ja, für ihre Gäste haben die Iban auch zwei Duschen eingebaut. Einzig sie zu benutzen ist ein wenig schwierig - oder schwer, je nachdem, wie man es sieht. Denn das kalte Wasser (der Boiler fehlt noch) fällt von der Dusche direkt in eine blaue Tonne.
In der Tonne befindet sich ein Schöpfer. Er dient als Spülung für das benachbarte Klo sowie auch dazu, sich das Wasser schwallweise über den Kopf zu schütten. Um wie gewohnt zu Duschen, muss man sich daher ein wenig verrenken, um unters Wasser der Dusche zu gelangen. Oder: man packt die Tonne und wuchtet sie mit einem kräftigen Ruck auf die Seite.
Erster Programmpunkt nach dem Frühstück ist ein Spaziergang durch den Dschungel am Batang Lemanak. Festes Schuhwerk ist natürlich von Vorteil. Ansonsten aber ist es ein wirklich gemütlicher Rundgang, bei dem es nicht darauf ankommt, möglichst weit zu laufen, sondern darum, möglichst viele Pflanzen und Früchte zu entdecken und kennenzulernen.
So verschwindet unsere Begleiterin immer wieder im Gebüsch, um uns irgendwelche Früchte zum Probieren zu bringen. Schmecken die einen ähnlich wie Kiwi, färben uns andere die Zunge blau. Neben den für uns neuen Pflanzen entdecken wir aber auch eine wild wachsende Ananas.
Gleichzeitig schärft uns Nixon ein, dass wir aufpassen sollen, wo wir hintreten. Auch sollen wir uns nicht an irgendwelchen Ästen festhalten. Denn viele Bäume und auch Pflanzen haben Stacheln - mal ganz abgesehen davon, dass es auf Borneo auch Schlangen gibt. Besonders warnt er uns vor einem Bambus, der schwarze, ganz feine Stacheln hat.
Wer ihn anfasst, hat die Stacheln auf seiner Haut und sobald er kratzt darunter. Es dauert nicht lange, bis wir wissen, wie man sich hier am besten verhält: Fass nichts an, trete nirgends drauf, öffne den Mund und genieße. Anscheinend stehen überall Pflanzen, an denen für uns essbare Früchte reifen. Man muss sie nur kennen.
Wie reich die Natur den Tisch der Ibans deckt, erleben wir später beim Barbecue. Als Hauptgang soll es in Bambus gegartes Huhn mit in Blättern gekochtem Reis geben. Bevor das Fleisch gar ist, werden uns Bananen, Langsat und Rambutan angeboten. Hier muss man zugreifen. Zum einen sind die Iban enttäuscht, wenn man alles ablehnt, zum anderen entgeht einem sonst was. Denn Langsat und Rambutan sind nicht nur lecker, sondern in den Hotels auch nur schwer zu haben.
Und dann ist da noch Durian, die begehrteste Frucht der Malaysier. Auch sie wird uns angeboten. Hier haben die Iban Verständnis, wenn man die stinkende Frucht ablehnt. Annette aber traut sich, zumindest einen Stückchen zu probieren. Angeblich soll sie ganz anders und vor allem viel besser schmecken, als man es erwartet. Annettes Tipp: »Du darfst nicht durch die Nase atmen, dann ist sie wirklich gut.« Ich glaube ihr, aber: ich muss ja nicht alles probieren.
Als sich ein Berg an Obstschalen angesammelt hat und wir schon fast satt sind, ist der Bambus durch. Waren die Früchte lecker, ist das in den Rohren gegarte Fleisch einfach köstlich. Auch der in Blättern eingewickelte Reis ist schmackhaft, sodass wir bedauern, vorher schon so viel anderes probiert zu haben. Zusammen mit Papaya wird der Hauptgang dadurch zum Dessert. Bevor wir in den Genuss des Barbecues kommen, wartet aber zunächst eine zweite Überraschung auf uns.
Dass der Spaziergang durch den Dschungel nicht allzu weit vom Langhaus wegführt, war uns klar. Was wir nicht wussten: wir müssen das kurze Stück nicht einmal mehr zurücklaufen. Stattdessen erreichen wir nahe einer Flussbiegung den Batang Lemanak, wo ganz zufällig ein Langboot auf uns wartet. Damit wissen wir dann auch, warum der Bootsmann und sein Sohn uns auf einmal mitten im Dschungel begegnet sind.
Nachdem alle sicher im Boot sitzen, fahren wir noch ein ganzes Stück weit flussaufwärts auf dem Batang Lemanak. Bei nun herrlichem Wetter können wir die Fahrt auf dem träge fließenden Wasser ausgiebig genießen.
Weil der Lemanak River unverbaut ist und der Fluss zahlreiche Kurven beschreibt, ergeben sich uns ständig neue, wunderschöne Einblicke in die Natur und den Regenwald. Allein dafür lohnt sich die Fahrt mit dem Boot.
Bei einer Kiesbank legen wir schließlich an. Eigentlich war geplant, draußen in der freien Natur ein Barbecue zu feiern. Weil es durch den Monsun kaum noch einen trockenen Flecken gibt, ist dies jedoch nicht möglich. Das ist aber auch nicht tragisch, da so beide Programmpunkte voneinander getrennt ist und wir noch vom Frühstück satt sind.
Dafür müssen wir ein paar Minuten auf der Sandbank warten, bis der Bootsmann (er ist auch für das Barbecue verantwortlich) irgendwo im Dickicht geeignete Bambusrohre geschlagen hat, die er für das Essen braucht. Uns gibt das Gelegenheit, die Natur frei von Motorengeräuschen auf uns wirken zu lassen.
Wahrscheinlich wären wir noch ein gutes Stück weiter flussaufwärts gefahren. Aber da sich am Himmel wieder dunkle Wolken formieren, beschließt unser Reiseleiter, dass wir besser umkehren. Dass das Wetter hier innerhalb von ein, zwei Augenblicken umschlagen kann, braucht er uns nicht erklären. Aber wir haben Glück. Es bleibt während der Rückfahrt zum Langhaus und auch danach trocken, sodass wir einen wirklich schönen Tag bei den Iban erleben.
Bootsfahrt auf dem Sungai Lemanak mit anschließendem Barbecue bei den Iban und Eindrücken vom Leben im Langhaus.
Am letzten Morgen im Reservat weckt uns das Gegacker der Hühner. So richtig gut ausgeschlafen sind wir zwar nicht. Das liegt aber auch an den vielen Eindrücken, die wir in so kurzer Zeit sammeln konnten und die uns in der Nacht immer wieder durch den Kopf geschwirrt sind. Waren es auf der einen Seite die Kinder, die uns neugierig beäugten, um dann ihre Kletterkünste zu zeigen, so begegneten uns andererseits die Erwachsenen mit natürlicher Freundlichkeit. So ist es keineswegs selbstverständlich, dass wir dazu eingeladen wurden, im Kreis der Iban Suppe zu essen, noch bevor Nixon das für uns bestimmte Menü zubereitet hatte.
Man kann es vielleicht auch so sagen: Wer nur eine Nacht bei den Iban bleibt, ist Gast. Wer zwei Nächte bleibt, ist schon Teil der Familie. Nach der dritten Nacht darf man dann wahrscheinlich mit anpacken. Wenn das so hinkommt, ist es wohl ganz gut, nach der zweiten Nacht zu gehen. Vorher aber dürfen wir unser Geschick mit dem Blasrohr beweisen. Gute zwei Meter ist das Rohr lang, aus der ein leichter Pfeil fliegt. Bevor wir das Rohr an den Mund ansetzen, lernen wir, dass die Pfeile nicht mit Gift, sondern mit einem starken Betäubungsmittel getränkt werden. Ansonsten könnte man das Tier nach einer erfolgreichen Jagd nicht essen.
Bei unserem Training spielt es keine Rolle, da wir auf eine Scheibe zielen - und auch treffen. Es ist tatsächlich gar nicht so schwierig, da der Pfeil durch das lange Blasrohr sehr ruhig fliegt und die Richtung durch die Länge des Rohrs gut eingeschätzt werden kann. Man muss lediglich bedenken, dass die Augen ein Stück höher sind als die Öffnung und der Pfeil auch auf der kurzen Distanz ein paar Zentimeter nach unten sinkt. Allerdings sollte man auf den Wind achten. Denn da die Scheibe aus Styropor ist, kann sie leicht umklappen, sodass nur noch der Rand als Zielfläche bleibt.
Wenig später heißt es dann Abschied nehmen. Bei der Rückfahrt haben wir mehr Glück als bei der Hinfahrt. Die Sonne scheint, sodass wir die letzte Bootsfahrt auf dem Batang Lemanak noch einmal in vollen Zügen genießen können. Hatten wir am Tag unserer Ankunft das Ende der Fahrt herbei gesehnt, könnte die Fahrt jetzt gerne doppelt so lang dauern. Der Fluss und die Landschaft sind einfach herrlich anzuschauen.
Blasrohrtraining bei den Iban, Eindrücke vom Langhaus und Bootsfahrt auf dem Sungai Lemanak sowie Aufnahmen von Kannenpflanzen.